6.09.2008

Porto Christofer Street Day, 2008, Manifesto, Deutsch

In Portugal werden die ersten Schritte unternommen, eine verantwortliche Gesundheitserziehung zu entwickeln. Diese Erziehung jedoch beruht weiterhin auf einem Familienmodell, das die familiären Realitäten Portuguals im 21. Jahrhundert nicht wiederspiegelt.

Jeden Tag haben wir mehr Kinder, die nur von einem biologischen Elternteil erzogen werden, entweder allein stehend oder in einer neuen Beziehung lebend. Es gibt eine immer größer werdende Anzahl von Kindern, die von ihren Großeltern, Onkeln, anderen Verwandten und Adoptiveltern aufgezogen werden. Diese Erziehenden haben unterschiedliche sexuelle Orientierungen. Und diese Kinder sind glücklich. Es gibt keine Unterschiede in der physischen, psychologischen, emotionalen und sozialen Integration dieser Kinder, was Studien mit “nicht-biologischen” Eltern und Eltern desselben Geschlechts zeigen.

Trotzdem ignoriert der portugiesische Staat diese Realität. Diese Familien werden vergessen. Diese Mütter und Väter werden vergessen. Diese Kinder werden vergessen.


Der Staat zwingt ihnen ein Standardmodell von Familie auf in Fächern wie Biologie, Geschichte, Portugiesisch, Sexualerziehung ... obowohl dieses Modell ihre Familien und die Familien ihrer Kolleginnen und Kollegen nicht repräsentiert.

Das ist unakzeptabel.

Es ist die Pflicht des Staates, in allen Schulen eine gesunde Sexualerziehung einzuführen. Und eine gesunde Sexualität ist nicht begrenzt auf “Spermie schwimmt, findet ein Ei und 9 Monate später gibt es eine Überraschung.” Ein menschliches Wesen ist nicht nur eine Ansammlung von Zellen. Es ist auch ein emotionales, denkendes, soziales, historisches Wesen, das die Welt und sich selbst verändert.

Nur eine Erziehung, die alle diese Aspekte miteinbezieht, kann die Grundlage für glückliche, gesunde und sexuell verantwortlich handelnde Menschen sein.


Diese Erziehung muss in der fünften Klasse beginnen und als eigenes Fach unterrichtet werden mit wichtigen Themen wie:
· den vielfältigen Formen von Familie;
· der Entmystifizierung von Bisexualität, Homosexualität und Heterosexualität;
· der Förderung von wirklich gleichen Möglichkeiten zwischen Frauen und Männern;
· der Anerkennung von vielfältigen Geschlechtsidentitäten wie transsexuell, zissexuell, transgender und cisgender;
· dem Verständnis von verschiedenen Formen von Beziehungen, der Akzeptanz davon, dass eine Person keine Beziehung haben kann, eine Beziehung mit einer Person haben kann oder polyamouröse Beziehungen haben kann.
· Und schließlich: der Vertretung von Familienplanung und bewusster Empfängnis.


Ebenso wichtig ist es, u. a. Unterrichtende, Verwaltungspersonal und technisches Personal zu schulen. Gleicherweise sollte kein Kind von dieser Erziehung ausgeschlossen werden. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass diese Erziehung die Schranken der in der Gesellschaft etablierten Erziehung überwindet und aktiv in der allgemeinen Bevölkerung verbreitet wird.

Weniger als dies ist unakzeptabel!

In der portugiesischen Gesellschaft gibt es immer noch deutliche Beispiele von Diskriminierung. Selbst 2008 erkennt Portugal immer noch keine gleichgeschlechtliche Ehe an im Gegensatz zum spanischen Staat, der dies vor drei Jahren tat, inklusive aller mit einer Ehe einhergenden Rechten und Pflichten, einschließlich der Adoption.

Die standesamtliche Ehe ist keine statische Größe in Raum und Zeit. Noch 1976 war es üblich, dass ein Ehemann einen an seine Ehefrau adressierten Brief öffnete, es war sein gesetzlich anerkanntes Recht in Portugal. Wenn uns klar ist, warum dies geändert wurde, sollte uns ebenso klar sein, dass es an der Zeit ist, die gleichgeschlechtliche Ehe anzuerkennen. Die Rechte von Männern und Frauen waren 1976 ebenso unterschiedlich wie es heute die Rechte von heterosexuellen und homosexuellen Paaren sind.

Und das ist unakzeptabel!

Aber es sind nicht nur die schwulen und lesbischen Paare, denen vom Staat gleiche Rechte verweigert werden. Transgender Personen werden immer noch als Menschen zweiter Klasse behandelt. Artikel 13 der portugiesischen Verfassung sowie das Arbeitsrecht ignorieren weiterhin die Gender-Identität. Ebenso schweigt Strafrecht, das Verbrechen aufgrund von Religion, sexueller Orientierung, Rassismus u.ä. anerkennt zum Thema Verbrechen aufgrund von “Trans-Hass”.

Wir fordern ein Gender-Identitäts-Gesetz, das einen Wechsel von Namen und gesetzlichem Geschlecht erlaubt, auch wenn die Geschlechtsangleichung noch nicht beendet ist. Der gesamte juristische, medizinische und gesetzliche Prozess, dem transsexuelle Menschen ausgeliefert sind, muss schneller und humaner gestaltet werden.

Wir akzeptieren keine Auferlegung von “offiziellen Lizenzen” durch die portugiesische Mediziner-Vereinigung. Wir akzeptieren keine bürokratischen oder verdrehten Sichtweisen von Transsexualität und Transgender.

All dies ist unakzeptabel.

Und darum sind wir heute hier vertreten, auf dem Porto CSD (Marcha do Orgulho LGBT no Porto), mit unterschiedlichen Altersstufen, unterschiedlichen Erfahrungen, unterschiedlichen Geschlechtern, unterschiedlichen Kulturen, unterschiedlichen sexuellen Orientierungen – und dennoch vereint! Da eine gute Erziehung bedeutet, das Recht auf Glück zu teilen. Da eine gute Erziehung Menschen gleich behandelt. Da eine gute Erziehung Menschen gleichberechtigt aufwachsen lässt.

Gleichberechtigung ist unentbehrlich, Erziehung ist wesentlich.

No comments:

Post a Comment